Geburtsbericht: Wie die zweite Geburt alles andere änderte.

Da war er nun. Der Tag der Tage und somit die Geburt des kleinen Muck. Ich freute mich eigentlich darauf, da die Geburt des Babyboys auf seine ganz spezielle Art magisch war. Doch diese Geburt wurde für mich persönlich zu einem wahren Alptraum. Nicht wegen der Hebammen oder der Betreuung an sich, sondern wegen meines Kopfes. Aber beginnen wir von vorne.

Die Wehen kamen mitten in der Nacht und somit auch mein persönlicher Horror, denn wir fuhren ins Krankenhaus, während der Babyboy noch schlief. Keine Verabschiedung. Kein emotionales Vorbereiten. Sondern ein eiskalter Schnitt. Mama war weg und kam erst einmal nicht wieder. Und dann auch noch mit einem neuen Baby. Der Große und ich waren noch nie zuvor so lange und auch nicht über Nacht voneinander getrennt. Die Hiobsbotschaft, sie würde mich nicht ambulant entbinden lassen und meine Erschöpfung, die mich daran hinderte dagegen anzugehen, machten das Ganze nicht besser.

So kam es also, dass wir um ein Uhr nachts uns fertig machten und auf die Oma, die sich dann zum Babyboy ins Bett legte und das Taxi warteten. Mir war kalt, ich hatte noch nicht geschlafen, war also dementsprechend müde, nervös und fühlte mich insgesamt nicht frei. Körperlich und geistig. So sollte es nicht ablaufen und so fühlte es sich nicht richtig an. Die Magie, die ich bei der ersten Geburt und dem Drumherum verspürt hatte, die gab es einfach nicht. Es war irgendwie trostlos und befangen. Natürlich die schlechteste Voraussetzung für eine schöne und entspannte Geburt. Ich bekam den Babyboy schlichtweg nicht aus meinem Kopf und die Wehen übermannten mich dieses Mal um ein Vielfaches. Ich hätte nicht gedacht, dass sie noch schlimmer sein könnten und das, obwohl ich damals keine PDA hatte.

Ziemlich schnell fragte ich nach einer PDA und dem Öffnen der Blase, was aber abgelehnt wurde bzw. von der Hebamme als unnötig erachtet worden war, denn, so sagte sie, sei das Kind auf der Welt, ehe alles vorbereitet wäre. Tja, da irrte sie sich um etwa 7 Stunden. Die Blase platzte nicht von allein, ich weinte vor Schmerzen, fand keinen Rhythmus und der kleine Mann rutschte einfach nicht tiefer. Die Hebammen hatten Schichtwechsel und sogar Herr T., der eigentlich einfühlsam ist, war vollkommen überfordert mit der Situation und wurde grantig. Er selbst empfand diese Geburt auch um einiges schlimmer als die erste. Zum Glück musste ich keine Maske tragen, denn sonst wäre vermutlich alles verloren gewesen.

Da nichts passierte, warnten mich die neuen Hebammen vor, dass eine Sectio nicht ausgeschlossen sei, da es langsam knapp wurde mit der Zeit und ich endlich den Kopf frei bekommen sollte – sie waren weitaus liebevoller als es sich vielleicht gerade liest. Aber ich glaube, das brauchte ich, denn die Blase platzte bei einer Untersuchung endlich und auch die gewünschte PDA bekam ich. Welch Segen! Nie wieder ohne, ich sag es euch. Auch, wenn sie zu einseitig gespritzt wurde und die andere Seite immer noch schmerzte, war es dennoch eine Erlösung sondergleichen. Und auch in meinem Kopf machte es endlich klick. Ich konnte loslassen und dem kleinen Muck die geforderte Aufmerksamkeit zuwenden und mich gedanklich vom Babyboy lösen. Die Vorstellung einen Kaiserschnitt zu bekommen, war für mich schier unerträglich. Der pure Horror. Dieses Mal versuchte ich zudem mehr Bewegung und die Hilfe der Schwerkraft zu nutzen. Ich saß häufiger aufrecht, bewegte mich so viel ich konnte und ließ meine Blase häufiger entleeren, damit der Weg frei war. Hello Bettpfanne und Harnkatheter. Yay. Not.

Da die Vorblase noch im Wege war, wurde diese per Hand geöffnet und schwupp, nach gefühlt dem halben Mississippi an Fruchtwasser, rutschte auch der Kleine endlich tief genug und die Presswehen nahmen ihren Lauf. Und es war endlich sooo befreiend. Durch die PDA hatte ich überhaupt keine Schmerzen beim Pressen, konnte aber dennoch spüren, wohin es gehen sollte. Nach einer relativ kurzen Zeit war er dann endlich da. Was ich allerdings nicht sah, war die Nabelschnur, die sich zweimal fest um seinen Hals geschlungen hatte, sodass er ein kleines Stück zurück geschoben werden musste, damit man diese lösen konnte. Er war richtig blau angelaufen, Gott bewahre, was hätte alles passieren können! Glücklicherweise ist jedoch alles noch einmal gut ausgegangen und dem kleinen Muck fehlte an nix. Mit stolzen 57cm und wuchtigen 4570gr. war der kleine Mann gar nicht mal so klein. Selbst die Hebammen staunten nicht schlech und sagten, dass die PDA eine weise Entscheidung war.

Ich war sooo dermaßen erleichtert, all der Druck – im wahrsten Sinne des Wortes – fiel von mir ab und ich musste einfach nur weinen. Weinen vor Glück. Weinen vor Erleichterung. Einfach alles rauslassen, was ich elf Stunden in mir festhielt, ehe es endlich richtig losgehen sollte. Obwohl ich Geburtsverletzungen zweiten Grades hatte und genäht werden musste – dieses Mal MIT Betäubung – hatte ich beinahe überhaupt keine Schmerzen in diesem Bereich. Ich konnte Sitzen, Gehen und auch das Wasserlassen war harmlos. Zum Glück! Puh, damals waren es wirklich schlimme Schmerzen und das ganze zwei Wochen lang.

Rückblickend muss ich sagen, bin ich froh, dass es nicht meine erste Geburt war. Wäre dem so gewesen, mit all den negativen Gefühlen, hätte ich vermutlich kein Zweites bekommen. Es hat mich sehr belastet, dass der Zauber dieses Mal gänzlich ausblieb, wenngleich ich dieses kleine Wesen von der ersten Sekunde an über alles liebte. Trotz fehlender Schmerzmittel und Wehen, die mich 23 Stunden in Zaum hielten, war die erste Geburt doch um Längen wundervoller. Und das lag nicht an der Betreuung, die war, wie beim ersten Mal, großartig! Aber die Schmerzen, die emotionale BElastung und das gesamte Gefühlschaos haben mich zu Boden gerissen und erst in der absolut letzten Sekunde losgelassen. Es liegt also ein grauer Nebel über diese Erinnerung, der eine erneute Geburt eher unwahrscheinlich macht.

Angst möchte ich mit diesem Bericht keinem machen, da vieles eben Kopfsache ist und es oft an einem selbst liegt, wie man in die Geburt geht und welche Gefühle man zulässt. Ich konnte dieses Mal keine Welle reiten und ruinierte sie mir selbst. Eigensabotage würde ich mal sagen. Und dennoch gehört auch so etwas dazu. Es ist eben nicht immer alles rosig, wattebauchig schön. Das Ergebnis ist dafür umso wundervoller und jeden Schmerz wert.